Schillerstraße 54
Jg. 1870
Deportiert von Berlin 1942
Theresienstadt
Ermordet 1942
Treblinka
Jg. 1900
Flucht 1938
London
Gertrud Wolff (geb. Marcus) wurde 2. November 1870 im mecklenburgischen Malchin in eine jüdische Familie geboren. Sie war das jüngste Kind von Siegmund und Betty Marcus (geb. Aarons). Ihre beiden älteren Geschwister Antonia und John waren 1862 und 1863 geboren worden. 1881 zog die Familie von Norddeutschland ins preußische Erfurt, wo sie ein neues Zuhause im Wohn- und Geschäftshaus am Anger 27 fand. Hier betrieb der Kaufmann Siegmund Marcus ab 1882 die Tapisseriewarenhandlung „S. Marcus und Co.“, in der er Teppiche und Wandbehänge anbot.
Als junge Frau zog Gertrud 1892 vermutlich aus beruflichen Gründen nach Pudewitz ins ostpreußische Posen (heute: Pobiedziska, Polen). Wann sie ihren späteren Ehemann, den Kaufmann Louis Wolff kennenlernte, wissen wir nicht. Um 1900 lebten sie in Burg, bei Magdeburg. Hier brachte Gertrud 1900 ihre Tochter Senta und 1902 ihre Tochter Irma zur Welt. Nachdem Gertruds Ehemann Louis 1905 verstorben war, kehrte sie mit beiden Töchtern zu ihrer Familie nach Erfurt zurück und lebte fortan in der Schillerstraße 32 (heute: Schillerstraße 54). 1928 zog die inzwischen erwachsene Irma nach Berlin und heiratete dort Fritz Baumann, mit dem sie 1933 Tochter Liselotte bekam. Senta blieb alleinstehend und arbeitete bei der Erfurter Etikettenfabrik Zander & Co als Stenotypistin.
Gemeinsam mit ihrer Mutter Gertrud und ihrer Tante Antonia erlebte Senta den Aufstieg der Nationalsozialisten. Der seit der Machtübergabe 1933 alltägliche Antisemitismus stellte zunehmend eine Bedrohung für ihr Leben dar. Davon zeugen Gertruds Emigrationsbemühungen. 1938 erhielt sie ein Ausreise-Visum für sich, was sie ihrer Tochter Senta überließ. Diese verließ Erfurt am 29. Oktober 1938 in Richtung London, wenige Tage vor den gewaltvollen Angriffen auf die jüdische Gemeinde im Zuge des Novemberpogroms. Senta überlebte dank ihrer Mutter die nationalsozialistische Verfolgung im Exil. Später zog sie von London nach Bristol, wo sie nach einem langen Leben am 13. Januar 1999 im Alter von 98 Jahren verstarb.
Rund ein Jahr nach Sentas Weggang wurde Gertrud Anfang September 1939 dazu gezwungen, ihre Wohnung in der Schillerstraße aufzugeben und zum jüdischen Ehepaar Gottschalk in der Regierungsstraße 38 zu ziehen. Kurz darauf verließen sie und ihre Schwester Antonia Erfurt in Richtung Berlin. Hier lebten die beiden gemeinsam in der Bahnhofstraße 13 in Berlin-Lichterfelde. Am 13. Juli 1942 wurden sie mit einem sog. Alterstransport aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt verschleppt. Von dort wurde Gertrud Wolff in das Vernichtungslager Treblinka deportiert, wo sie am 19. September 1942 ermordet wurde.
Seit 18. September 2025 erinnern zwei STOLPERSTEINE in der Schillerstraße 54 an Gertrud und Senta Wolff.