Clara-Zetkin-Straße 38
Jg. 1896
Deportiert 1942
Ghetto Belzyce
Ermordet
Jg. 1893
‚Schutzhaft‘ 1938
KZ Buchenwald
Flucht 1939 Holland
Deportiert 1943
Theresienstadt
1944 Auschwitz
Ermordet
Jg. 1923
Flucht 1939 Holland
Deportiert 1943
Auschwitz
Warschau
Ermordet 1944
Jg. 1925
Deportiert 1942
Ghetto Belzyce
Ermordet
Adolf Ardel kam am 24. Dezember 1893 als Sohn von den in Lemberg (Galizien) geborenen Markus Ardel und Friederike Ardel, geb. Fund, in Erfurt auf die Welt. Er hatte vier Geschwister: Anna, Jettie, Lina und Amalie.
Betty Ardel kam am 16. Januar 1896 als Betty Hacker, Tochter von Hermann Hersch Hacker und Anna Hacker, geb. Ardel, in Erfurt auf die Welt. Sie hatte fünf Geschwister: Menachem Max, Erich, Willy, Adolf und Siegfried (später Schlomo).
Adolf und Betty heirateten im Herbst 1920 in Erfurt und bekamen zwei Kinder. Am 18. Juli 1923 kam Max Ardel und am 14. Juni 1925 Hanna Friedel Ardel (genannt Hanni) in Erfurt auf die Welt.
Adolf Ardel war Schüler an der Erfurter evangelischen Bürgerschule gewesen und hatte anschließend eine kaufmännische Lehre in der Kinder- und Damenmäntelfabrik Greiffenhagen & Bettsack in der Neuwerkstraße 7 gemacht. Nach der Ausbildung blieb er als Angestellter; er war nun tätig als Vertreter und Auslandsreisender der Damenmäntelfabrik. Von 1915 bis 1919 nahm er am Ersten Weltkrieg teil. 1933 wurde er anlässlich des 40-jährigen Firmenjubiläums von Greiffenhagen & Bettsack durch die Industrie- und Handelskammer Erfurt mit Ehrenurkunde und silbernem Ehrenabzeichen für 25 Jahre Unternehmenszugehörigkeit ausgezeichnet. Infolge der zwangsweisen Enteignung („Arisierung“) der Damenmäntelfabrik (nun unter dem Namen Michaelis & Beyer mit Standort Anger 24) im Herbst 1938 wurde er nur noch bis zum 28. Februar 1939 befristet weiterbeschäftigt. Es ist noch bekannt, dass er sich in der Zeit der Befristung von Dezember 1938 bis Februar 1939 auf Geschäftstour in Frankreich befand.
Über Betty Ardel lässt sich sagen, dass sie von 1921 bis 1926 als Geschäftsführerin ihrer eigenen Firma, der Betty Ardel GmbH, tätig war. Die Firma stellte Damen- und Kinderbekleidung sowie Mantel- und Kostümstoffe her. In einer Werbeanzeige aus dem Jahr 1921 warb Betty Ardel im Erfurter Allgemeinen Anzeiger mit ihrer modernen guten „Damen- und Backfisch-Konfektion“. In der Zeit von 1941 bis 1942 war sie als Heimarbeiterin tätig. Es ist unklar, ob sie dies freiwillig tat, aber anzunehmen ist, dass es unfreiwillig geschah und der Kriegsproduktion diente. Ebenso unklar ist ihre Tätigkeit in der Zeitspanne zwischen der Betty Ardel GmbH und der Heimarbeit; zu vermuten ist, dass sie sich in der Zeit um die Kinder und den Haushalt kümmerte.
Die Tochter Hanna Friedel (genannt Hanni) war von 1935 bis 1938 Schülerin der privaten St.-Ursula-Schule des Ursulinenklosters. Nach dem nationalsozialistischen Schulverbot für jüdische Schüler:innen im Herbst 1938 erhielt sie 1939 Unterricht bei dem Lehrer Leopold Stein in der privaten jüdischen Volksschule in der Viktoriastraße 16 (heute Puschkinstraße) in Erfurt. Anschließend absolvierte sie bis 1941 eine Bürolehre und arbeitete kurzzeitig als Angestellte.
Der Sohn Max wechselte bis zum Schulverbot dreimal die Schule; zuletzt lernte er an der Mittelschule für Knaben in der Schottenstraße.
1934 wurde Adolf Ardel die im Jahr 1921 erfolgte Einbürgerung durch den Erfurter Regierungspräsidenten entzogen. Erfolglos versuchte er dagegen mit einem Schreiben an den Polizeipräsidenten vorzugehen. Im Zuge des Novemberpogroms wurde er am 9. November 1938 festgenommen und wurde vom 10. bis 27. November 1938 im Konzentrationslager Buchenwald gefangen gehalten. 1939 floh er in die Niederlande nach Utrecht. Von Amsterdam aus wurde er am 21. April 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo er anderthalb Jahre überlebte. Am 28. September 1944 wurde er weiter nach Auschwitz transportiert. Sein weiteres Schicksal ist ungewiss.
Auch seinem Sohn Max gelang 1939 die Flucht in die Niederlande, allerdings nicht gemeinsam mit dem Vater. Es ist eine Eintragung in der Meldebehörde in Rotterdam belegt. Er erhielt Asyl im Heim der Jugend-Alija in Loosdrecht. Die Kinder- und Jugend-Alija war eine jüdische Organisation, die versuchte, möglichst viele Kinder und Jugendliche in der Zeit des Nationalsozialismus aus dem Deutschen Reich vor allem nach Palästina in Sicherheit zu bringen. 1943 wurde Max dennoch aus den Niederlanden über das Internierungslager Westerbork erst nach Auschwitz und von dort in das Konzentrationslager Warschau, das 1943 auf den Ruinen des vormaligen Ghettos errichtet worden war, deportiert. Sein genaues Todesdatum ist unklar, wahrscheinlich verstarb er um den 1. April 1944 in Warschau. Die genauen Umstände seines Todes sind unbekannt.
Betty und ihre Tochter Hanni mussten im Frühjahr 1939 von ihrer bisherigen Wohnung in der Preßburger Straße 40 (heute Clara-Zetkin-Straße 38) erzwungenermaßen in die Preßburger Straße 24 ziehen. Im September 1939 scheiterte ihrer beider Auswanderung in die USA.
Am 8. Mai 1942 erfolgte Betty und Hanna Friedel Ardels „Abmeldung nach unbekannt“. Am 9. Mai 1942 kamen sie zusammen mit weiteren Jüd:innen in das „Auffanglager“ in der Viehauktionshalle am Bahnhof in Weimar. Von dort aus fand am 10. Mai 1942 eine Massendeportation in das Ghetto Belzyce bei Lublin statt. Betty Ardel fand ihren Tod nach dem 12. Mai 1942. Laut einem Brief ihrer Tochter Hanni ertrank sie in einem Brunnen. Die genauen Umstände sind jedoch unklar.
Auch Hannis Spur verliert sich in Belzyce.
Seit dem 18. September 2025 erinnern vier STOLPERSTEINE in der Clara-Zetkin-Straße 38 an Adolf Ardel, Betty Ardel, Max Ardel und Hanna Friedel Ardel.