Charlottenstraße 8
Jg. 1862
Unfreiwillig verzogen
1939 Berlin
Deportiert 1942
Theresienstadt
Erdmordet 22.12.1942
Antonia (genannt Tony) Marcus wurde am 12. August 1862 im mecklenburgischen Malchin in eine jüdische Familie geboren. Sie war das älteste Kind von Siegmund und Betty Marcus (geb. Aarons). 1863 und 1870 kamen ihre Geschwister John und Gertrud Marcus zur Welt. 1881 zog die Familie von Norddeutschland ins preußische Erfurt, wo sie im Wohn- und Geschäftshaus am Anger 27 ein neues Zuhause fand. Hier betrieb der Kaufmann Siegmund Marcus ab 1882 die Tapisseriewarenhandlung „S. Marcus und Co.“, in der er Teppiche und Wandbehänge anbot.
Über das Leben von Antonia Marcus ist heute kaum noch etwas bekannt. Ob sie einen Beruf erlernt hat oder welche Interessen sie pflegte, können wir heute nicht mehr nachvollziehen. Sicher ist, dass sie nie eine Ehe einging und bis 1892 mit ihren Eltern und ihren Geschwistern zusammenlebte – erst am Anger 27 und ab 1888 in der Eichengasse 7. 1892 verließ ihre Schwester Gertrud Erfurt in Richtung Posen. Zwei Jahre später verstarb ihr Vater Siegmund im Alter von 64 Jahren. Antonias Bruder John lebte seit 1900 in Ramsbeck im Sauerland und war dort wie sein Vater als Kaufmann tätig . Seit seinem Weggang lebte Antonia allein mit ihrer Mutter Betty in der Lilienstraße 2. Die Große Synagoge, das Zentrum der jüdischen Gemeinde, war nur wenige Gehminuten von ihrem Zuhause entfernt. Dort engagierte sich Antonia in der Frauengruppe des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. 1912 verstarb ihre Mutter, im gleichen Jahr zog Antonia in die Charlottenstraße 8. Hier lebte sie über 25 Jahre lang.
Nach dem Tod ihres Ehemannes kehrte Antonias Schwester Gertrud mit ihren beiden Töchtern Senta und Irma Wolff 1905 nach Erfurt zurück. Gemeinsam erlebten die Schwestern hier den Aufstieg der Nationalsozialisten. Als das Deutsche Reich im September 1939 Polen überfiel, verließen Antonia und Gertrud ihre Heimatstadt in Richtung Berlin, wo Gertruds jüngere Tochter Irma Baumann (geb. Wolff) seit 1928 lebte. Es ist davon auszugehen, dass sich die beiden Schwestern in Erfurt nicht mehr sicher fühlten. Gertrud Wolff war wenige Tage vor ihrer Abreise dazu gezwungen worden, ihr Zuhause in der Schillerstraße 32 zu verlassen und in die Regierungsstraße 38 zur jüdischen Familie Gottschalk zu ziehen. Der Umzug nach Berlin stand somit bereits unter dem unmittelbaren Eindruck der Verfolgung.
In Berlin-Lichterfelde lebten die Schwestern gemeinsam in der Bahnhofstraße 13. Zuletzt wurde Antonia Marcus im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 behandelt, bevor sie am 13. Juli 1942 mit einem sog. Alterstransport aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt verschleppt wurde. Unter den dort herrschenden menschenunwürdigen Lebensbedingungen verstarb sie am 22. Dezember 1942 im Alter von 80 Jahren.
Seit dem 18. September 2025 erinnert ein STOLPERSTEIN in der Charlottenstraße 8 an Antonia Marcus.