Klausenerstraße 11

Hier wohnte
Joseph Feiner

Jg. 1882
„Polenaktion“ 1938
Ghetto Lemberg
Ermordet im
besetzten Polen

Hier wohnte
Adele Feiner
geb. Drucker

Jg. 1892
„Polenaktion“ 1938
Ghetto Lemberg
Ermordet im
besetzten Polen

Hier wohnte
Marion Feiner

Jg. 1921
Flucht 1938
Palästina

Hier wohnte
Charlotte Feiner

Jg. 1919
Flucht 1938
Palästina

Die jüdische Familie Feiner lebte seit 1927 in Erfurt. Zuvor hatten die am 28. Mai 1892 in Lemberg (heute Lwiw, Ukraine) geborene Adele Feiner (geb. Drucker) und deram 26. Januar 1882 in Stanislau (heute Iwano-Frankiwsk, Ukraine) geborene jüdische Kaufmann Joseph Feiner in Berlin gewohnt. Dort waren am 4. November 1919 und am 10. Dezember 1921 ihre beiden Töchter Charlotte und Marion Feiner zur Welt gekommen. Nach ihrem Umzug nach Erfurt lebten die Feiners für kurze Zeit in der Arnstädter Straße 12 und anschließend in der Skalitzer Straße 9 (heute Wilhelm-Busch-Straße), bevor sie am 3. November 1928 ein neues Haus in der Kruppstraße (heute Klausenerstraße) 11 bezogen.

Von Erfurt aus war Joseph Feiner im Auftrag des Musikschutzverbandes als Generalvertreter für musikalische Aufführungsrechte in Thüringen, Sachsen und Anhalt tätig. 1931 bezog er ein Büro in zentraler Lage in der Schlösserstraße 47/49. Seine Tochter Marion Feiner erinnerte sich später daran, dass er viel reiste und die Familie freien Eintritt zu Konzerten, Opern und Filmen hatte. Nach ihrer Machtübernahme unterstellten die Nationalsozialisten im Juli 1933 die Verwertung musikalischer Aufführungsrechte ihrer Kontrolle. Zuvor hatte der Musikschutzverband bereits auf eigene Initiative jüdische und sozialdemokratische Mitarbeiter entlassen und durch überzeugte Nationalsozialisten ersetzt. Auch Joseph Feiner erhielt eine Kündigung und musste sein Büro in der Schlösserstraße 47/49 aufgeben. Für die Familie bedeutete dies erhebliche Geldsorgen.

In dieser Zeit engagierten sich Marion und Charlotte Feiner im jüdischen Pfadfinderbund Makkabi Hazair, der ab Mitte der 1930er Jahre seine Arbeit auf die Auswanderung nach Palästina ausrichtete. Aufgrund der zunehmenden Entrechtung und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden entwickelten sich die zionistischen Jugendorganisationen nach 1933 zu einem wichtigen Ort der Gemeinschaft für jüdische Jugendliche. Sie bereiteten die Schwestern auf ihre Jugendalijah, die Einwanderung in das britische Mandatsgebiet Palästina, und damit auf die Rettung vor der nationalsozialistischen Verfolgung vor. In einem sog. Hachschara-Lager in Rüdnitz bei Berlin wurden sie sprachlich und kulturell geschult und es wurde geprüft, ob sie einer körperlich anstrengenden Arbeit und dem Leben in einer Gemeinschaft fernab des gewohnten Umfelds und ihrer Familien gewachsen waren. Am 28. Februar 1938 brach Marion Feiner, zwei Wochen nach ihrer Schwester Charlotte, zu ihrer Jugendalijah auf. Ab dieser Zeit nannte sie sich Miriam, ihre Schwester Charlotte trug fortan den Namen Jael. Beide lebten in Kibbutzimen.

Ihren Eltern wurde die Einreise nach Palästina verwehrt. Sie wurden am 28. Oktober 1938 im Rahmen der sogenannten „Polenaktion“ aus Deutschland ausgewiesen. Die Massenabschiebung nach Polen betraf 17.000 Jüdinnen und Juden polnischer Staatsangehörigkeit, darunter etwa 100 Erfurterinnen und Erfurter. Die Feiners lebten ab Juli 1939 bei Verwandten in Lwów. Von dort aus bemühten sie sich weiter um eine Auswanderung nach Palästina. Über Postkarten hielten die Eltern mühsam den Kontakt zu ihren Töchtern aufrecht. Ende Juni 1941 besetzten die Deutschen Lwów. Sie errichteten das Ghetto Lemberg, begannen sofort mit der Verfolgung der dort lebenden Jüdinnen und Juden und ermordeten fast alle von ihnen. Unter den rund 120.000 Opfern waren auch Joseph und Adele Feiner. Ihr letztes Lebenszeichen ist eine Postkarte an ihre Tochter Miriam vom 21. März 1941.

1996 kehrte Jael und 1997 Miriam auf Einladung von Oberbürgermeister Manfred Ruge mit einer Gruppe weiterer jüdischer Überlebender erstmals in ihre frühere Heimatstadt Erfurt zurück. Im Mai 2023 eröffnete der Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz die Ausstellung „Miriams Tagebuch. Die Geschichte der Erfurter Familie Feiner “, die in Kooperation mit dem Freundeskreis Yad Vashem e.V. entstanden war. Mit vielen privaten Fotos und Dokumenten hatte die Familie von Miriam Ziv die Ausstellung ermöglicht. Das Herzstück der Ausstellung bildete Miriam Zivs Tagebuch, das sie als 14-jährige Schülerin in Erfurt begonnen hatte und bis September 1939 führte. Inspiriert von der Ausstellung entwickelte Jakob Hoffmann, 2024/25 Freiwilliger im FSJ Kultur am Erinnerungsort Topf & Söhne sein Projekt „Stolperkarten – Die jüdische Familie Feiner aus Erfurt “. Es umfasst fünf „Stolperkarten“ und eine digitale Karte. Sie erzählen die Geschichte der aus Erfurt vertriebenen Familie Feiner am Nordbad, an der Synagoge, am Büro des Vaters, an der Schule und an der Familienwohnung Klausenerstr. 11.

Seit dem 18. September 2025 erinnern vier STOLPERSTEINE in der Klausenerstraße 11 an Joseph Feiner, Adele Feiner, Marion Feiner und Charlotte Feiner.